Zwischen Koks, Keta und Küssen: Neuer Berlin-Film „Rave on“ mit Aaron Altaras

In Berliner Clubs kommt es, wie es kommen muss. Nach „Berlin Calling“ gibt es jetzt einen zweiten Film, der mit Authentizität und guter Musik punktet.
„Hi, ich bin Lara vom Awareness-Team.“ Als das elfenhafte Wesen mit den gepiercten Gesicht diesen Satz sagt, ist der Horrortrip vorbei, den Aaron Altaras alias Kosmo gerade in einem Berliner Club durchlebt hat.
Eigentlich war er nur gekommen, um Troy Porter eine Vinylplatte mit einem selbstproduzierten Track zu geben. Doch er kam einfach nicht an den berühmten DJ ran, dessen Set zu allem Überfluss um fünf Stunden verschoben worden war. Also musste Kosmo warten. Tja, und dann eskalierte es recht schnell.
Kaum an der Bar angelangt, scheitert Kosmos Vorsatz, nüchtern zu bleiben durch einen aufgedrängten Schnaps. Gleich darauf gibt‘s eine Line mit alten Freunden, eine Pille wird geteilt, dann Keta gezogen – und so geht es immer weiter. Irgendwann wird es unübersichtlich und der Club verschlingt Kosmo wie ein Monster, in dessen Gedärmen er brutal herumgeschleudert wird. Er verliert die Kontrolle, später den Jutebeutel mit seiner Platte und gegen Ende sogar das Bewusstsein.
Besser als mit Aaron Altaras hätten die Regisse Nikias Chryssos und Viktor Jakovleski die Hauptrolle nicht besetzten können. Man nimmt Altaras jede Sekunde seiner Club-Odyssee ab, auch weil sein Look wahnsinnig gut ins Berlin 2025 passt und man weiß, dass er auch im echten Leben Musik macht.

Kosmos Absturz ist grausam, auch für den Zuschauer. Denn trotzdem wir nicht viel über ihn erfahren, sind wir ganz an ihm dran. Die Szenen wirken fast dokumentarisch real – weil „Rave on“, anders als die meisten Berlin-Filme, kein peinlicher Kitsch mit deplatzierten Charakteren und der falschen Musik ist.
Die überwältigende Authentizität des Films fußt aber auch auf einer ästhetischen Grundidee, die schon Rainald Goetz mit seinem Buch „Rave“ hatte: Eine glaubwürdige Erzählung aus dem Club kann immer nur eine chaotische Ansammlung von Mini-Momenten sein. Hallo sagen, treffen auf der Toilette, die Zigarette, wichtige Gedanken, unwichtige Gedanken, die Substanz, das Mädchen, die Jacke, die Musik, die Angst.
Ein bisschen „Berlin Calling“ und ein Happy EndDie Angst ist es auch, die im zweiten Drittel des Films überwiegt. Denn der Drogenmix löst bei Kosmo Wahnvorstellungen und Paranoia aus. Und trotzdem der Club voll ist, ist er damit ganz alleine; denn niemand ist im Rausch mehr zuverlässig. Auch die Freunde nicht.
Erinnerungen an „Berlin Calling“ werden wach, dem großen Berliner Techno-Drama mit Paul Kalkbrenner aus dem Jahr 2008. Spätestens als Kosmo nicht mehr in der Lage ist zu laufen und nur noch kriechen kann, muss man an Ickarus denken, der in der Psychiatrie landete
Wie in „Berlin Calling“ wird die Handlung auch in „Rave on“ letztendlich durch den Soundtrack so richtig glaubwürdig . Wir hören hervorragend produzierten House und zeitgemäßen Techno, der größtenteils von den in Berlin lebenden Musikern Ed Davenport und John Gürtler stammt. Aber auch Club-Klassiker wie „Camargue“ von CJ Bolland von 1992 und Stücke des Chicagoer Künstlers Jamal Moss a.k.a Hieroglyphic Being (der im Film übrigens Troy Porter ist) werden gespielt.
Letztendlich geht es ja auch in „Rave on“ auch nur um die Musik. Aber nicht um diesen Festival-Techno auf Social Media, wie Kosmo sagt, sondern um den echten Oldschool-Sound.

Als Lara vom Awareness-Team Kosmo wieder unter den Lebenden begrüßt, gibt es im Film eine Wendung und am Schluss sogar ein Happy End mit Küssen auf der Tanzfläche. Dann hört man auch endlich Kosmos Track, der alle Erwartungen erfüllt – und die Euphorie und das Glück, die ja eben auch zu so einer Nacht gehören, heraufbeschwört. Der Track heißt „Kosmosis“, und er wird zum Start den Films auf Vinyl erhältlich sein.
„Rave on“, Regie: Nikias Chryssos und Viktor Jakovleski, Darsteller: Aaron Altaras, Clemens Schick, Ruby Commey, Hieroglyphic Being, Lucia Lu, June Ellys Mach und andere, Produktion: Deutschland 2025, Lauflänge: 80 Minuten, Filmstart: 1. Juli 2025
Berliner-zeitung